Verena Baldinger, Büdingen, Deutschland

Verena, Du arbeitest als Coach für Führungskräfte.  Wie bist du zur Meditation des Tanzes gekommen?

Meine Schwester Gitti ist Bauchtänzerin, und ich habe ein Wochenende Bauchtanz mit ihr getanzt. Abends als uns die Hüften glühten, tanzte sie mit uns: „Can I come as I am?“ von Nanni Kloke. Gitti war in Friedels erster Ausbildungsgruppe in Deutschland. Bei diesem Tanz war es um mich geschehen. Es dauerte aber noch acht Jahre, bis ich mir endlich beruflich die Zeit freigeschaufelt hatte, bei Friedel zu tanzen und dies auch nur, weil mir jemand sagte, Friedel wolle aufhören. Tief erschreckt, sie zu verpassen, habe ich mich sofort angemeldet, ohne jegliche Vorkenntnis direkt für die Ausbildung. 

Welche Impulse hat dir das Tanzen gegeben? 

Auch wenn es kitschig klingt, es hat mich gerettet. Mein Job als Coach und Seminarleiterin in der Wirtschaft war so getaktet, dass auch ich nur noch staccato unterwegs war, in To-do-Listen. Meditation des Tanzes hat mir die Weichheit wiedergegeben, das Zulassen, das Fließen.  

Hat die Meditation des Tanzes etwas in deinem Leben verändert oder Einfluss auf deine berufliche Tätigkeit?

Auf jeden Fall ganz viel. Die Meditation des Tanzes hat mich getragen, als meine Tochter schwer krank wurde und als meine Ehe zerbrach. Trotz solcher Schicksalsschläge wurde ich viel ausgeglichener und vertrauensvoller. So viel Dank könnt ihr gar nicht aufschreiben, wie ich darüber in mir fühle. Vorher habe ich alles alleine gestemmt, in der Meditation des Tanzes habe ich gelernt, wie gut ich mittanzen kann, ohne viel zu können, getragen vom Feld der anderen Tänzerinnen und geborgen in einer Gruppe. Meine Arbeit wurde dadurch leichter und spontaner, ich habe mir und meinen Impulsen viel mehr vertraut, nach dem Motto, wer nicht alles im Griff hat, hat die Hände frei für Wichtiges.

Gibt es einen Tanz oder eine Choreografie der/die dir besonders wichtig ist?

Ich habe in 20 Jahre Meditation mit den Sufis die Tänze des universellen Friedens kennengelernt und war hin und weg von ihrer tiefen Symbolik. Und auch irgendwie gelangweilt von den banalen Schritten. Mir fehlte dann doch Tanz dabei. Alle Tänze der MdT sind da tänzerisch interessanter und viele sind richtig künstlerisch, malen Bilder und Mandalas mit dem Körper.

Wenn ich einen Lieblingstanz wählen muss- muss weil es so viele schöne gibt- dann „the path“ von Saskia über den Weg und seine Schleifen, oder alle Tänze von Friedel, die diesen einen Moment des Erhebens feiern. Also wenn ich nur einen nennen darf, nehme ich die Rose von Friedel. Der Tanz endet mit dem Moment des Erhebens und eigentlich möchte ich für immer auf Zehenspitzen bleiben. Das kann ich körperlich aber nicht und außerdem ist der Tanz zu Ende ?.

So lehrt mich das Tanzen so viel über Irdisches, Loslassen und Vergänglichkeit. „Mitten im Leben sind wir vom Tod umzingelt“ sagt Wolfgang Schmidbauer und begriffen habe ich diesen Satz erst im Tanz. Und auch wie köstlich Leben durch diese Erkenntnis wird, die erst mal so schrecklich klingt.

Du begegnest vielen Menschen. Was ist dir in diesem Zusammenhang wesentlich, das du mit uns teilen möchtest, z.B. eine Vision, eine Idee, ein Bild, ein Lied oder ein Text?

Wichtig ist mir vor allem die Herzensverbindung, zu der wir Menschen fähig sind. Manchmal komme ich mir in der Wirtschaft vor wie ein trojanisches Pferd, egal wie der Titel des Seminars lautet, Führung, Team, Veränderung, oder was auch immer, es geht darum, Menschen wieder an ihr Herz anzubinden, dann wissen sie auch selbst, was sie tun möchten und was richtig ist.

Ich möchte ein Gedicht von Hilde Domin hier ans Ende stellen, das mich besonders berührt. Hilde Domin war eine Freundin meiner Mutter und nebenbei der Schrecken meiner Kindheit. Heute verehre ich ihre Gedichte und auch sie sehr.

Es heißt für mich „Durchnässt bis auf die Herzhaut“. MdT umfasst alle Teile dieses Gedichtes und zentriert mich ins Herz. 

Wir werden eingetaucht
und mit den Wassern der Sintflut gewaschen
Wir werden durchnässt
bis auf die Herzhaut

Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
taugt nicht
der Wunsch den Blütenfrühling zu halten
der Wunsch verschont zu bleiben
taugt nicht

Es taugt die Bitte
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe
dass die Frucht so bunt wie die Blume sei
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden 

und dass wir aus der Flut
dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem
zu uns selbst
entlassen werden.  

Hilde Domin

Verena, vielen Dank, dass Du mit uns Deine Erfahrungen teilst.